Hermann Kletke

Der alte Park
Hör‘ ich es nicht im Laube flüstern,
Stimmen zitternd im süßen Leid?
Durch die Gänge, die schattigdüstern,
Wandelt ein Traum der alten Zeit.
Von den Lippen der Liebe bebt es,
Schwüre tauschen sich zärtlich aus,
Und das pochende Herz, wie strebt es
Heiß der zögernden Zeit voraus!
Doch die säumigen Stunden fliegen
Mit dem pochenden Herzensschlag,
Bis sie in trüber Ferne liegen —
Treulos war der wonnigste Tag!
Ach, ein halbes Jahrhundert kam ich
Hier der jubelnden Lust zu spät;
Nur verklungenes Glück vernahm ich,
Lang vergessen, verrauscht, verweht!
Dort zum Thore führen die Stufen,
Die nur selten ein Fuß betritt.
Keine Stimmen der Liebe rufen,
Nicht ein sehnsuchthastiger Schritt.
Und die zerbrochnen Säulen sprechen
Stumm der flüchtigen Jahre Wort:
„Alles Irdische muß zerbrechen,
Auch das Liebste tragen wir fort.“
Doch fernher, in die dunklen Massen,
Wie versunken im Witwenleid,
Gramdurchschaurt und glückverlassen:
Lächelt sonnig die junge Zeit!
Quelle: Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft 1867/1868 Band I, Herausgeber: E. Dohm & J. Rodenberg, Verlag von A. H. Payne, Leipzig