Gottfried Kinkel


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Gottfried Kinkel
hann Gottfried Kinkel (* 11. August 1815 in Oberkassel; † 13. November 1882 in Zürich) war ein deutscher evangelischer Theologe, Professor für Kunst-, Literatur- und Kulturgeschichte, Schriftsteller, Kirchenlieddichter und demokratisch gesinnter Politiker.






Cornwallis


1862-1866 lebte Kinkel in London. Bevor er England 1866 verließ und nach Zürich ging, scheint er sich im Sommer 1866 in Camelford in der Grafschaft Cornwall im südwestlichen England aufgehalten und diese Reminiszenz an Cornwall geschrieben zu haben.

Camelford, Sommer 1866

Bedeckt mit weißen granitnen Kolossen
Wie öd in der Sonne die Haide liegt!
Sie ragen zerstreut, gleich tausend Geschossen,
Womit sich vor Alters die Riesen bekriegt.

Dazwischen gewunden die moorigen Flüsse,
Ihr Lauf ist so breit und ihr Bette so leer —
Nicht schwellen sie mehr von dem Hochwald die Güsse,
Sie schleichen durch Krüppelholz durstig zum Meer.

Nur Haide das Land, wo so lustig einst ragte
Das Jagdschloß Arthurs in dem Forst von Tregoss,
Und die Wälder sind kahl, wo Tristan einst jagte
Den Hirsch, und ihm folgte Isolde zu Roß.

Auch die Häfen, wo einst der Phönike gelandet,
Wo das Erz und das Zinn er gestaut in sein Schiff,
Sie liegen versandet, die Welle nur brandet
In machtlosem Zorn um das grimmige Riff.

Die Heiligen, die aus der Fremde einst kamen
Den Glauben zu künden im keltischen Wort,
Ihr Thun ist vergessen, es leben die Namen
In den Kirchen nur noch, die sie stifteten, fort,

Und die Sprache, sie verschwand, es verstummte die Sage,
Sie verschmähte zu reden mit sächsischem Mund,
Denn Alles ward englisch; die einzige Frage
Ist heut nach dem Pfennige noch und dem Pfund.

Doch gastfrei bleibst Du, o Völkchen, und bieder,
Und ward Dein Ruhm Dir auch flügellahm,
Du trinkst vergnüglich den sauren Cider
Und borgst von Devon den süßen Rahm.

Wo die Gräber der Helden vom Hügel noch winken,
Da wächst die Kartoffel vortrefflich im Beet
Auf dem rechten Hang, indeß auf dem linken
Das methodistische Bethaus steht.

Du Fürstin einst auf der Dichtung Throne,
Weh, Cornwall, daß Du Dich selber verlorst,
Und, niedergelegt die phantastische Krone
Nur Englands Schleppe zu werden erkorst!

Nicht singen Dir mehr der Atlantis Sirenen
Von den Tagen des Ruhms, die Dir schienen so hell;
Es ersteigt nur der Fremde mit Pilgrims Sehnen
Dein wogenumbrandetes Tintagel.

Quelle: Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft 1867/1868 Band I, Seiten 282 - 283, Herausgeber: E. Dohm & J. Rodenberg, Verlag von A. H. Payne, Leipzig

Frühling in Paris


Kinkel gehörte zu den Symbolfiguren der Revolution 1848/1849. Aufgrund seiner Beteiligung an einem Aufstand wurde er 1849 zu lebenslanger Festungshaft verurteilt. Im November 1850 gelang ihm die Flucht aus dem Zuchthaus Spandau. Kinkel floh über Schottland, England und Frankreich wieder nach England zurück. Während seiner Zeit in Paris vom 08. Dezember bis zum 9. Januar 1851 traf er sich dort auch mit seiner Frau Johanna wieder. Hier beschlossen sie, gemeinsam in das Exil nach London zu gehen. Wurde hier die Basis für dieses Gedicht gelegt, das er Ostern 1865 schrieb?

Paris, Ostern 1865

Ja, das ist Deine goldne Sonne,
Das ist Dein strahlend Himmelszelt,
Das Deine grüne Frühlingswonne,
Paris, Du Freudenkelch der Welt!

Wie oft sich Wetter hier entladen
Und wild die feige Welt geschreckt,
Sie sind verstummt — die Barrikaden
Hast du mit Gärten zugedeckt.

Hier, wo einst brachen Heldenherzen,
Sproßt die Kastanie aus dem Staub,
Und ihrer Leuchten weißer Kerzen
Streckt sie durchs lichte Frühlingslaub.

Wohl bluten noch geheim die Wunden,
Noch ward Dein großer Traum nicht wahr!
Du aber hast den Gram verwunden,
Das Herz ist leicht, die Stirne klar.

Dich trübt es nicht im frohen Muthe,
Daß auf dem Pflaster von Asphalt
Von einem dreigespitzten Hute
Ein Schatten oft vorüberwallt.

Ob er vom Hut des Jesuiten,
Ob von dem Stadtsergeanten fällt,
Den Scherz läßt Du Dir nicht verbieten,
Und Deine Lust wird nicht vergällt.

Der Schönheit Fürstin, einst vernichtet
Von Mönchthums selbsterwählter Qual,
Du hast sie wieder aufgerichtet
In Deines Louvre Marmorsaal.

Stolz, wie sie vor zweitausend Jahren
Von Melos übers Meer geblickt,
Empfängt sie heut der Pilger Schaaren,
Die nach ihr jede Zone schickt.

O Frankreich, Sonnenkind! das muthig
Sein Schwert am heiligen Tage schwingt,
Und dann so rasch vergißt, wie blutig
Der Sieg war, wenn Triumph es singt!

Was könnte je Dein Glück verschütten
Und brechen Dir Dein fröhlich Herz?
Hast Du doch Wein in allen Hütten
Und braune Augen allerwärts!

Quelle: Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft 1867/1868 Band I, Seiten 281 - 282, Herausgeber: E. Dohm & J. Rodenberg, Verlag von A. H. Payne, Leipzig