Wilhelm Buchholz


Wilhelm Buchholz, geb. am 10. Dezember 1836 in Lübeck, gestorben am 25.11.1904, war ein deutscher Schriftsteller und Dramaturg.

Elegie.


Während auf südlicher Flur Italiens blühende Gärten
Du, mein Geliebter, bestaunst, wie Du so lang es ersehnt;
Während am sonnigen Tag Dein Genius träumenden Fluges
Sich im hesperischen Blau weltenvergessen verliert;
Heimlich im Myrthengebüsch Du herzumstrickende Weisen
Ausdenkst oder im Wald zwitschernde Vögel behorchst;
Zukunftheitere Gebilde die offene Seele Dir küssen,
Lieblichen Genien gleich, sorgenverscheuchenden Blicks;
Während der magische Pinsel der alten italischen Meister
In die geheiligte Ruh‘ fürstlicher Säle Dich bannt,
Oder Dein Blick sich erhebt zur himmelanstrebenden Kuppel
Ueber des Tempelgewölbs säulengetragenen Bau;
Während des eigenen Jugendgeschicks verworrenes Irrsal,
Düsterer Mächte Gespinnst, klar und versöhnt Dir erscheint:
Denkst Du, Beglückter, wol kaum des verlassenen Mädchens im Norden,
Das im verschwiegenen Kuß einst Dir die Seele geschenkt.

Draußen im friedlichen Scheine des Mondlichts glänzet das Schneefeld,
Und wie Gespenster der Nacht flattern die Raben empor.
Trauererweckende Stimmen umschwirren in jeglichem Laut mich,
Stöhnen im Windesgeräusch, klagen im Schellengeläut,
Wenn auf der spiegelnden Bahn der beflügelte Schlitten dahin saust,
Drin an den muthigen Mann zagend das Mädchen sich schmiegt.
Thränen entstürzen den Augen, gedenk‘ ich der köstlichen Stunden,
Da uns zu traulichem Gruß winkte der silberne Mond,
Der mit dem rieselnden Quell in duftigen Nächten geäugelt,
Während wir neckischen Sinns keck ihr Geheimniß belauscht.
Jetzt, nachtwandelnder Freund, bist Du auch winterlich einsam —
Ach, die Verlassenen sind innig einander verwandt.
Melancholischen Blicks liest nun Dein träumendes Auge,
Was ich mit zitternder Hand sagte dem todten Papier.
Zwar, wenn wieder der Lenz sein saphirblaues Gewölbe
Ausspannt über das Land, wenn mit dem lachenden Grün
Neu das umwinterte Herz durchzucken die Schauer des Frühlings,
Kehrt, so versprach er, der Freund über die Alpen zurück.
Blühten nur endlich die Rosen und flöge der stündlich Ersehnte,
Süßer Geständnisse voll, jubelnd mir wieder an‘s Herz;
Aber noch trauern im Felde die schneebelasteten Bäume,
Trauern gemeinsam mit mir, daß der April noch so fern.

Wilhelm Buchholz.

Quelle: Quelle: Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft, Band V, 1870, Seite 675, Herausgeber: Ernst Dohm und Julius Rodenberg; Verlag von A. H. Payne, Leipzig

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