Wilhelm Windelband
Wilhelm Windelband (* 11. Mai 1848 in Potsdam; † 22. Oktober 1915 in Heidelberg) war ein deutscher Philosoph, Professor, Vertreter des Neukantianismus, der so genannten Wertphilosophie und Begründer der „Südwestdeutschen Schule“ oder „Badischen Schule“ des Neukantianismus.
Der Pessimismus und die Wissenschaft
Essay aus dem Jahr 1877
W.

Die zentralen Aussagen des Artikels drehen sich um die Unvereinbarkeit von wissenschaftlichem Denken und teleologischen Weltanschauungen. Wissenschaftliche Betrachtung ist laut Windelband emotionsfrei und objektiv; sie kann keine Werturteile wie „gut“ oder „schlecht“ über das Universum fällen, da solche Urteile notwendigerweise subjektive Maßstäbe voraussetzen. Pessimismus erhebt jedoch oft den Anspruch, die Schlechtigkeit der Welt wissenschaftlich beweisen zu können. Windelband kritisiert dies als methodisch unhaltbar, da es keine objektiv nachweisbaren Zwecke oder Ziele für das Universum gibt, an denen solche Urteile gemessen werden könnten.
Ein Schwerpunkt seiner Kritik liegt auf dem sogenannten eudämonologischen Pessimismus, der die Welt an ihrer Fähigkeit misst, Glück zu erzeugen. Dieser Ansatz ist für Windelband problematisch, da Glück und Unglück weder objektiv gemessen noch universell verglichen werden können. Er weist darauf hin, dass Versuche, den „Wert des Lebens“ durch eine angebliche Überlegenheit von Unlust gegenüber Lust zu begründen, letztlich auf spekulativen und nicht nachweisbaren Annahmen beruhen.
Während Windelband teleologische Urteile über die Gesamtheit des Universums ablehnt, erkennt er an, dass ein moralischer Pessimismus, der sich auf spezifische Missstände in der Gesellschaft oder im individuellen Leben bezieht, eine gewisse Berechtigung haben kann. Solche Urteile sollten jedoch auf konkrete Situationen beschränkt bleiben und nicht als allgemeine Wahrheit über die Welt formuliert werden.
Windelband schließt, dass die Wissenschaft keine Grundlage für die Beurteilung der Welt als „gut“ oder „schlecht“ bieten kann. Sie kann lediglich die psychologischen und kulturellen Mechanismen untersuchen, die zu Optimismus oder Pessimismus führen. Er plädiert für eine klare Trennung zwischen wissenschaftlicher Objektivität und den subjektiven Stimmungen, die in pessimistischen oder optimistischen Weltanschauungen zum Ausdruck kommen. Die Frage, ob die Welt gut oder schlecht ist, sei daher kein Problem der Wissenschaft, sondern ein Ausdruck individueller oder kultureller Perspektiven.
Transkription, 7.034 Wörter
Wiedergefundene Perlen der Literatur Nr. 118, 1. Auflage, 2025
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