Rudolf Gottschall


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Rudolf Gottschall
anz Emanuel Rudolf Karl Gottschall, ab 1877 von Gottschall (* 30. September 1823 in Breslau; † 21. März 1909 in Leipzig) war ein deutscher Dramatiker, Epiker, Erzähler, Literaturhistoriker und Literaturkritiker.





Harzbilder.


Mit den beiden folgenden Gedichten geht Rudolf Gottschall auf zwei geologische Formationen im Harz ein. Die Baumannshöhle, eine Tropfsteinhöhle, ist die älteste Schauhöhle Deutschlands; sie liegt neben der Hermannshöhle in Rübeland. Der Bodekessel ist ein kleine Wasserfall in der Bode; er befindet sich im unteren Teil des Bodetals westlich des Rosstrappenfelsens und nur wenige Schritte von der Teufelsbrücke entfernt.

Baumannshöhle.


Steinkön’gin auf dem Felsenthrone,
Du sitzest seufzend tiefgebückt,
Auf Deinem Haupt die schwere Krone,
Die wachsend deine Stirne drückt.

Es folgt Jahrtausend auf Jahrtausend,
Dir bleibt das gleiche Loos verhängt!
Kein Sturm, der durch die Tiefen brausend
Den öden Felsenkerker sprengt.

So mußt du ewig einsam weinen,
In sternenleerer Nacht allein;
Doch deine Thränen selbst versteinen
Und endlich wird dein Herz zu stein.

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Bodekessel.


Sie steigt empor aus ihrem Grabe,
Die feuchten Schleier weh’n im Wind;
Sie winkt mit ihrem Zauberstabe,
Ein wildes räthselhaftes Kind.

Vergraben hier in diesen Schlünden
Bin schauernd ich mit dir allein;
Willst du die seltnen Bilder künden,
Die du gemeißelt in’s Gestein?

O das Vergangne wecke nimmer,
Auf ewig sei’s zu Stein erstarrt!
Es lockt, im Aug’ den feuchten Schimmer,
Zu sel’gem Glück die Gegenwart.

Dein Zauber winkt mir nicht vergebens,
Wir sind durch Schicksalsschluß vereint!
Denn auch die Räthsel meines Lebens
Sind längst in dieser Brust versteint.

Wie schäumt die heiße Jugend wieder,
Die einst der Felsen Trotz bezwang!
Es brausen deine wilden Lieder,
Und jede Welle wird Gesang.

O träumerisches Weltvergessen!
Ihr Felsen, deckt des Himmels Licht!
Es ist ein Himmel unermessen,
Der aus der Nacht der Tiefe bricht.

So schlinge mich der Abgrund nieder,
Begrab’ mich die empörte Fluth!
O nimmer kehrt in’s Leben wieder,
Wer einst in deinem Arm geruht!

Quelle: Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft, Band IV, 1869, Seiten 671-672, Herausgeber: Ernst Dohm und Julius Rodenberg; Verlag von A. H. Payne, Leipzig

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Paris


Ein Sonettenkranz

1.

Sei mir gegrüßt, Paris, zum dritten Male!
Um den Montmartre schwere Wolken nachten,
Ein Wetter brütet auf der Stadt der Schlachten
Und um die Thürme glüht der Schein, der fahle!

Anklopft der Himmel selbst mit seinem Strahle,
Müd sind die Geister jetzt, die überwachten!
Am Ruhebett, dem rosenüberdachten,
Kredenzt die Lust die schäumenden Pokale.

Und keine Antwort wird dem kühnen Frager!
Mit schweigen nimmt die Blitzeschwingerin
Den Flammengruß der Wetterwolken hin.

Denn Frankreich ist in der Cäsaren Lager:
Hier blitzt nur Sporn und Säbel der Cohorten,
Und Feuerschlünde wachen an den Pforten.

2.

Begraben liegt das hundertthor’ge Theben,
Verschüttet Memphis tief im Wüstensande,
Und wie hinweggezehrt vom Sonnenbrande
Erstirbt der Völker tausendjähr’ges Streben.

Wie stolz sich Kuppeln hier und Säulen heben,
Auch sie versinkt, die Herrscherin der Lande!
Nur Staub und Moder bleibt vom Prachtgewande,
An dem die ems’gen Millionen weben.

Und ein Sesostris hat auf gold’nem Wagen
Von neuem durch die Welt den Sieg getragen!
Der Völker Blut troff von des Rades Speiche.

Doch den Zermalmer überwund’ner Reiche
Zermalmt die Zeit; der Wand’rer später Tage
Gräbt aus dem Schutt einst die verscholl’ne Sage.

3.

Die Obelisken und die Siegesbogen,
Die Säulen, Tempel, Dome sind zerfallen;
Hier steht ein Eckstein nur von stolzen Hallen,
Die Mauer dort, von Epheu überzogen.

Die Trümmerstatt, vom Geierschwarm umflogen,
Läßt hier den Ruf der Wildniß nur erschallen.
Von Gruft zu Gruft gleich müden Pilgern wallen
schwermüthig trüb der seine gelbe Wogen.

Und späte Weisheit mißt die ries’ge Strecke,
Hier von der Königssäule Trümmerresten
Dort zum verfall’nen Bogen hoch im Westen;

Und Münzen blinken aus verlorner Ecke,
Cäsarenhäupter mit vergilbter Krone —
Das rost’ge Antlitz der Napoleone.

4.

Das ist ein Viereck, riesig, sonder Gleichen!
Die Fronten dehnen sich nach jeder Seite;
Mit alter Pracht liegt neuer Prunk im Streite,
Vor ihrer Hoheit muß sein Pomp erbleichen.

Die neue Herrschaft schmückt mit ihren Zeichen
Die stolzen Hallen, die sie prahlend weihte,
Daß todter Stein ihr den Triumph bereite,
Den Königen die Bruderhand zu reichen.

Der Louvre hier und dort die Tuilerien!
Wie ragen rings die Säulen und Portale,
Die Ballustraden, Nischen, Ehrenmale!

Und doch, wenn nächt’ge Schatten sie umziehn,
Scheint mir die Riesenburg ein Schloß der Todten,
Ein Mausoleum östlicher Despoten.

5.

Die Sonne brannte heiß auf den Terrassen,
Auf weiten Forsten brütend lag die Schwüle;
Nur goldne Fischlein freuten sich der Kühle
Im Teich, den Blumen schnurgerecht umfassen.

Es lauschten der Musik des Volkes Massen
Sonntäglich bunt in drängendem Gewühle;
Ich aber, mit prophetischem Gefühle,
sah dieses Schloß von Glanz und Macht verlassen.

Da klang, ein Leichenmarsch, mir die Fanfare!
Hier stand ein Papst gefangen am Altare,
schmach deckt die Krone hier wie die Tiare.

Fontainebleau, der Garde Fahnen flattern,
Des Ruhmes Träger werden zu Bestattern!
Es geht zum Grab aus dieses Schlosses Gattern.

6.

Bacchantin Du mit Cymbeln und mit Kränzen,
Wie drehst Du Dich, Paris, in wildem Reigen,
Erschreckst der Mondnacht sommerliches Schweigen
Mit wüstem Lärm, mit fessellosen Tänzen!

Verheißungsvoll die Feueraugen glänzen,
Das ist ein Schweben, Winken, üppig Neigen!
Es muß die Reize, die sich lockend zeigen,
Verschwieg’ner Reiz mit Zauberkraft ergänzen.

Und wilder braust’s, ein jedes Glied ist trunken!
Ein Fleischgeword’ner Rausch sind diese Weiber;
O Taumelfest der engverschlung’nen Leiber!

In dichtem Schleier ist der Mond versunken!
Was soll sein schamhaft Licht dem neuen Babel?
Hier herrscht Astarte und die wüste Fabel.

7.

Das ist ein Tanz für Larven, Nachtgestalten,
Wenn sie hinweggewälzt die Leichensteine,
Ein Schattentanz für schlottrige Gebeine,
Der Glieder wirft, die nicht zusammenhalten.

Da darf ein jedes ungebunden Schalten;
Das eine frägt nicht, was das andre meine;
Kaum fügt sich alles wieder zum Vereine,
Legt mit dem Kleid sich in die rechten Falten.

Ein Suchen, Fliehn mit zappelnden Gelenken,
Hohn jeder Gruß und jedes Gliederschwenken —
Das taumelt weiter mit gespenst’ger Hast.

Sie könnten sich zum Zeitvertreib bequemen
Die Köpfe von den Schultern sich zu nehmen, —
Das wär’ ein Ballspiel, das zum Tanze paßt!

8.

Du holdes Kind, Du brauchst kein Zauberlicht,
Wie’s hier der Blumen und der Matten sammt
Aus hundert Ampeln blendend überflammt;
Mit eig’nem Zauber glänzt Dein Angesicht.

Nur heit’re Lust aus Deinen Zügen spricht,
Wie sie aus unschuldsvollem Herzen stammt;
Und doch — zu welchem Loos bist Du verdammt!
Du blühst am Pfad, wo Dich die Sünde bricht!

Ich sehe Dich auf stolzem Siegeswagen,
Vom schnaubenden Gespann dahingetragen,
Ein Blitz der Demant und des Auges Strahl;

Doch dann, zerlumpt und bleich, in Noth und Qual,
Das Kreuz im Herzen und in Deinen Händen,
Im Krankenbett der frommen schwestern enden.

9.

Du warst geschaffen, friedlich zu beglücken,
Im stillen Häuschen rebenübersponnen,
Im trauten Schatten, vor dem Brand der Sonnen
Geschützt und vor der Welt und ihren Tücken.

Dort würdest Du dem Einen Blumen pflücken,
Dem Einen nur gehörten alle Wonnen;
Nicht mit dem Tag geboren und zerronnen,
Nicht flücht’ger Taumel wäre das Entzücken.

So stand’s in Deines Lebens Buch geschrieben
Und vorbestimmt war Dir ein friedlich Lieben;
Doch seine Blätter hat der Sturm verschlagen.

Und willst Du heimwärts eine Rose tragen —
Dir fehlt der frische Thau, sie zu besprengen!
Am Morgen schon läßt sie das Köpfchen hängen.

10.

Das ist die engste fast der engen Gassen!
Wie düster hier die ruß’gen Häuser ragen!
Hier drängte sich das Volk in frühern Tagen,
Jetzt ist sie still, vom Lärm der Welt verlassen.

Ein wildes Fieber bannte hier die Massen;
Jetzt hat der Börse Spiel und kühnes Wagen
Den Thron im Licht der Sonne aufgeschlagen,
Da muß die Rue Quincampoix erblassen.

Wo steht die Säule, die den Meister ehre,
John Law, den Ahn der Morny und Pereire?
In den Lagunen ruht sein einsam Grab!

Doch schwingt sein Geist den alten Zauberstab,
Und aus den Runen der papiernen Vließe,
Da wachsen Höllen noch und Paradiese.

11.

O Louisiana, fernes Wunderland,
Du warst des gier’gen Strebens Preis geworden,
Als an des Riesenstroms einsamen Borden
Die Drachensaat papiernen Trugs erstand.

Doch damals griff die beutelust’ge Hand
Noch nicht zum Schwert zu rauben und zu morden;
Es war ein Friedenszug geworbner Horden,
Kein Kriegeszug mit der Zerstörung Brand.

Jetzt rückt des Trugs Sternbild nach Süden vor;
Des Schwindels Geist vermag den Krieg zu wecken,
Puebla’s Flammen, Queretaro’s Schrecken.

Ein Kaiser fällt, der Kron’ und Haupt verlor,
Um ihn verheerter Länder furchtbar Schweigen —
Nur die Gewinne der Gewalt’gen steigen.

12.

Die Bäume röthen sich im Sonnenbrande,
Schwindsücht’ger Hauch muß ihren Glanz umfloren;
Schon schwingen sie des Herbstes Tricoloren
Und tragen noch des Sommers Festgewande.

Des Todes Odem weht durch diese Lande,
Welt Geist und Herz, in wildem Rausch verloren;
Und Frankreichs stern, zum höchsten Glanz erkoren,
Neigt Sich erbleichend an des Himmels Rande.

Die Völker fallen und die Völker Steigen.
Auf, deutsches Volk, So führe Du den Reigen!
Erlkönigs Krone hier Soll Dich nicht Schrecken;

Sie ist ein Nebelstreif auf Weidenzweigen.
Tannhäuser Schläft in üpp’ger Lust Verstecken;
Des ein’gen Deutschlands Jubel wird ihn wecken.

Quelle: Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft, Band III, 1869, Seiten 149-154, Herausgeber: Ernst Dohm und Julius Rodenberg; Verlag von A. H. Payne, Leipzig

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Pietro Aretino.


Mit dieser Ballade beschreibt Rudolf Gottschall die gesellschaftliche Stellung des italienischen Schriftstellers Pietro Aretino.

Pietro Aretino (* 20. April 1492 in Arezzo; † 21. Oktober 1556 in Venedig), genannt il Divino (»der Göttliche«), flagello de’ principi (»Geißel der Fürsten«), auch condottiere della penna (»Söldner der Feder«), war ein vielseitiger italienischer Schriftsteller, Dichter, Satiriker und Polemiker der Renaissance, des Cinquecento. Er verfasste prophetisch-religiöse Erbauungsbücher, Theaterstücke, polemische Satiren sowie witzige Pamphlete, erotische Dialoge und Gedichte, wie zum Beispiel die Sonetti lussuriosi zu pornographischen Kupferstichen des Marcantonio Raimondi, sowie eine große Zahl von literarisch brillanten und kulturhistorisch ergiebigen Briefen, wovon mehr als 3000 erhalten sind.

Pietro Aretino.

»Der Wein von Asti schäumt im Becher;
Stoßt an, Ihr Mädchen, Glück und Lust!
Wie selig ruht ein müder Zecher
In Eurem Arm, an Eurer Brust!
Wie uns‘re Marmorstadt im Pfuhle
Behaglich froh ihr Bildniß schaut:
So eitel bist Du, seid‘ne Buhle,
Doch keine kalte Marmorbraut.
Wenn uns nur stets die Götter gönnen,
Daß wir von Herzen lachen können!
Nur ihre frevelnden Verächter
Erobern ihr olympisch Reich;
Nur ein unsterbliches Gelächter —
Das macht die Menschen göttergleich.

Stoßt an! Wozu denn schuf ein Werde
Die große und die kleine Welt?
Wozu denn dreht sich diese Erde,
Als weil der Taumel ihr gefällt?
Wie lächerlich dies ew‘ge Kreisen.
In einer immergleichen Bahn!
Da sagen uns die neunmal Weisen:
Weil sie sich dreht, ist‘s wohlgethan!
O nein, das ist der Trost der Schwachen!
Der Kreisel muß der Peitsche lachen.
Denn nur ein stolzer Weltverächter
Erträgt dies todte Einerlei;
Nur ein unsterbliches Gelächter —
Das macht vom Zwang der Welt uns frei.

Stoßt an! Wie liegt im Marmorglanze
Das stolze Meereswunder da!
Am Lido lockt im Wogentanze
Verbuhlt die kecke Adria!
Die Säulen und die Kuppeln ragen,
Langweilig starrt das Biergespann;
Nie schirrt an einen Siegeswagen
Die Gondelstadt die Rosse an.
Und Löwenrachen, Seufzerbrücken
Verkünden ihres Ruhmes Tücken.
Das Staatsschiff schaukelt auf den Wellen
Und dankt den Winden sein Geschick;
Wie klingeln laut die Narrenschellen
Beim Carneval der Republik!

Der Ruhm ist nur ein Gut der Thoren,
Ein Gut, das Sclavensinn beglückt!
Ein Einz‘ger nur ist freigeboren,
Nicht von gemeinem Loos bedrückt,
Das ist der Witz, der alles Hohe
Mit seinen Pfeilen arg bedrängt
Und mit der funkensprüh‘nden Lohe
Grausam des Kaisers Bart versengt;
Des Kaisers Bart, um den sich streiten
Die gläub‘gen Narren aller Zeiten.
Nicht selig wird die Menschheit werden,
Bis er in alle Luft zerstiebt,
Und bis der freie Geist auf Erden
Nichts als die eigne Freiheit liebt.«

Er spricht‘s und wiegt sich auf dem Stuhle,
Die Lippe höhnt, das Auge flammt,
Zur Linken eine seid‘ne Buhle
Und rechts ein schmuckes Kind in Sammt.
Von Ehrenketten klirrt sein Busen,
Das ist Pietro Aretin,
Der ungezog‘ne Sohn der Musen,
Italiens erster Harlekin.
Es schuf Natur in übler Laune
Den ungeberdigsten der Faune.
Sein Witz ist einer Welt Entzücken
Und ist die Geißel einer Welt,
Und Papst und Kaiser muß sich bücken,
Wenn dieses Meßners Glöcklein schellt.

Da spricht die lock‘ge Buhle heiter:
»Die Thorheit dieser Welt ist groß!
Des Dogen Neffe, mein Begleiter,
Ruht tief in der Lagune Schoos.
Er schlang um mich demant‘ne Bande,
Doch wurden sie für ihn zum Fluch;
Ich hatte hundert Prachtgewande,
Ihm fehlt zuletzt — das Leichentuch.
Der greise Doge, starr vor Schmerzen,
Blickt in die Flut, den Tod im Herzen.
Wie treu er sein Erinnern wahrte,
Kann ich zu nächt‘ger Stunde sehn,
Und dann aus seinem Silberbarte
Die allerschönsten Flechten drehen.«

»»Der Doge selbst! Wie wird sie grollen,
Die angetraute Adria,
Und donnernd ihre Wogen rollen,
Wenn sie in Deinem Arm ihn sah.
Der Doge gürtet seine Lenden,
An einer Nymphe Brust zu ruhn,
Der Dreizack fällt ihm aus den Händen,
Dem meerbeherrschenden Neptun.
Auf, daß ich die gekrönte Sünde
Dem Meister Tizian verkünde,
Daß er im Netz die Venus male,
Und den Neptun im Silberhaar!
Aufhängen wir im Dogensaale
Das farbenprächt‘ge Liebespaar.««

»»Ja, Gott ist mächtig in den Schwachen!««
Er ruft es höhnend! Kuß auf Kuß
Und Glas auf Glas, dazu ein Lachen,
Von dem der Saal erdröhnen muß.
Die Venus mit erregten Geistern
Birgt in den Polstern ihr Gesicht,
Den überlust’gen Krampf zu meistern —
Doch immer noch gelingt ihr's nicht.
Weit eher wird's der andern glücken,
Am Schaum des Asti zu ersticken.
Auch Aretin lacht unaufhaltsam;
Der Sessel schwankt, der Sessel fällt —
Da hat das Marmorflies gewaltsam
Ein weltberühmtes Haupt zerschellt.

Das Grinsen auf der blassen Lippe
Erstarrt jetzt wie zu ew’gem Hohn —
Da steht der Tod mit seiner Hippe —
Die bleichen Dirnen sind entflohn.
Gespenstig kichert's in der Ecke,
Gell wiederhallt des Saales Rund,
Und hundert Fratzen an der Decke
Verziehn hohnlachend ihren Mund.
Und warnend ruft der Sensenschwinger,
Ausstreckend seine Knochenfinger:
»Ihr hört es nicht bei trunk’nen Festen,
Wie meine Hand die Sense wetzt!
Ich lache immerdar am besten,
Ich lache immerdar zuletzt!«

Quelle: Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft, Band VI, 1870, Seiten 286-288, Herausgeber: Ernst Dohm und Julius Rodenberg; Verlag von A. H. Payne, Leipzig

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