Friedrich Bodenstedt


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Friedrich von Bodenstedt
riedrich Martin von Bodenstedt (* 22. April 1819 in Peine; † 18. April 1892 in Wiesbaden) war ein deutscher Schriftsteller und Theaterintendant.







Sadi und der Schah.


Friedrich Bodenstedt schildert in dem Buch »Tausend und ein Tag im Orient« (1850) seine Reiseerlebnisse in Kaukasien und Armenien. Im neunten Kapitel berichtet er von Abbas-Kuli-Chan:

»Unter den vielen Schriftgelehrten des Landes, deren Bekanntschaft ich machte während der Zeit, daß Mirza-Schaffy mich in der Weisheit unterrichtete, war der Hervorragendste durch Rang und Wissen: Abbas-Kuli-Chan, ein Sprößling des alten Herrscherhauses von Baku. …«

Nach Darstellung von Friedrich Bodenstedt stammt die vorliegende Ballade »Sadi und der Schah« aus einer Gedichtsammlung des Abbas-Kuli-Chan.

Sadi und der Schah.

(Aus dem Divan des Abbas-Kuli-Chan.)

Sadi war einst zum Hof des Schah gekommen
Und ward vom Volk mit Jubel aufgenommen;
Mit Jubel auch empfing man ihm am Hofe,
Vom Schah herab bis zu der letzten Zofe.
Doch Mancher fand sich in der Höflingsschaar,
Der neidisch auf des Dichters Ehren war; —
Sich schlau des Herrscherohres zu bemächtigen,
Versuchte man, um Sadi zu verdächtigen,
Der arglos wandelte, bald ernst, bald heiter,
Wie ihn der Geist trieb, seine Pfade weiter.
Geheim ward gegen ihn der Schah gewonnen,
Mit Lügen und mit Ränken so umsponnen,
Daß es des Herrschers Urtheil völlig störte,
Weil er nichts Rechtes sah, nur Falsches hörte.
Da ließ er plötzlich seine Herrscherstimme
Sadi vernehmen wie ein Feind im Grimme;
Doch als der Dichter ihm in‘s Antlitz sah,
Erbangte vor dem eignen Wort der Schah,
Denn Sadi‘s Auge war auf ihn gewandt,
Als sei ihm Menschenfurcht ganz unbekannt;
Er hätte, wär‘ er freien Sinns gewesen,
Des Dichters Unschuld klar darin gelesen.
Allein er glaubte seiner Herrschergröße
Sich zu begeben, zeigt‘ er eine Blöße.
Drum ließ er seine Räthe zu sich rufen,
Die tief sich neigten vor des Thrones Stufen,
Und mit dem Herrn auf tiefe Pläne sannen,
Vom Hof des Schah den Dichter zu verbannen.

Da ging durch‘s Volk ein Murren und Gesumm,
Und alle Klugen sprachen: „Das war dumm,
Denn neigt ein Fürst sIch der Verleumdung huldig,
So macht er selbst sich der Verleumdung schuldig;
Das Mittel, der Verleumder sich zu wehren,
Ist, sie wie Unrath aus dem Haus zu kehren“.

Als nun zu Sadi kam der Großwesir
Und sprach: „Der Schah entsendet Botschaft Dir,
Fortan den allerhöchsten Hof zu meiden —“,
Gab Antwort Sadi: „Leicht wird mir das Scheiden.
Ein Mann, der nach dem Wahren strebt und Rechten,
Ist ein lebend‘ger Vorwurf für die Schlechten:
Drum wohl begreif‘ ich Euren Haß und Neid.
Allein um Euren Herrscher thut‘s mir leid,
Daß er sich von so auserlesen närr‘schen
Geschöpfen Deines Gleichen läßt beherrschen.“

Quelle: Quelle: Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft, Band V, 1870, Seite 413, Herausgeber: Ernst Dohm und Julius Rodenberg; Verlag von A. H. Payne, Leipzig

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Sprüche.


I.

Wer nichts ist, sucht vor den Leuten
Doch gern etwas zu bedeuten.
Mancher gilt für überlegen,
Weil er frech ist und verwegen;
Andre, weil sie höhnisch witzeln
Ueber großer Männer Schwächen,
Mit Nachäffung von Gebrechen
Dummer Lacher Ohren kitzeln.
Das sind Tagesruhms-Gespenster,
Die die Namen in die Fenster
Von berühmten Häusern kritzeln.

II.

Nur wem das Herz seine Schwingen lieh,
Geht ein zu des Ruhmes Thoren;
Es hat der bloße Verstand noch nie
Einen großen Gedanken geboren.

III.

Schweres Leid, das wir empfunden,
Wird vom Glück nicht überwunden:
Die Erinnrung bleibt zurück;
Aber jahrelanges Glück
Ist in wenigen Leidensstunden
Wie ein flücht’ger Traum verschwunden.

IV.

Nach vollem Glück vergebens
Strebst du im Erdenthale;
Schmerz ist der Kern des Lebens
Und Lust nur seine Schale.

V.

Im Glück oft unbewußt
Kommt Dir ein schmerzlich Schauern,
Als ahnte Deine Brust:
Es kann nicht lange dauern!

Quelle: Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft, Band I, 1867/68, Seite 68, Herausgeber: Ernst Dohm und Julius Rodenberg; Verlag von A. H. Payne, Leipzig

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